27.08.2021 // Allgemeine News

Abbruch der Verhandlungen über ein Institutionelles Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU

Was bedeutet es für die Inverkehrbringung von Produkten auf dem EU-Binnenmarkt

Situation heute
Das Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) hat zum Ziel, technische Handelshemmnisse zu vermeiden und abzubauen. Dieses Ziel wird mit drei Instrumenten verfolgt, die allesamt im THG verankert sind:

  • der autonomen Harmonisierung der schweizerischen technischen Vorschriften mit denjenigen der EU,
  • dem Abschluss staatsvertraglicher Vereinbarungen inkl. den gesetzlichen Grundlagen zur Normung und zur Akkreditierung
  • sowie der autonomen Anwendung des «Cassis-de-Dijon-Prinzips».

Auf dieser Grundlage wurde 1999 im Rahmen der Bilateralen Verträge das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) mit der EU abgeschlossen.

Dieses Abkommen regelt die Anerkennung der im Exportstaat durchgeführten Konformitätsbewertungen im Importstaat. Durch eine Konformitätsbewertung wird geprüft, ob ein Produkt den geltenden Vorschriften entspricht und auf den Markt gebracht werden darf. Das MRA stellt sicher, dass die notwendigen Zertifizierungsprozesse nur einmal durchgeführt werden müssen und das Produkt gestützt auf diese Zertifizierung in beiden Märkten in Verkehr gebracht werden kann. Zudem gewährt es dank Erleichterungen den Wirtschaftsakteuren der Schweiz in 20 Produktebereichen den analogen Marktzugang zum EU-Binnenmarkt wie den Konkurrenten aus der EU beziehungsweise dem EWR. Schweizer Unternehmen profitieren dadurch von tieferen Kosten und einem Zeitgewinn.

Zukunft
Die Europäische Kommission hat bereits vor einiger Zeit mitgeteilt, dass sie u.a. das MRA nicht mehr aktualisieren werde, solange keine Fortschritte beim institutionellen Abkommen erzielt werden. Der Bundesrat verfolgt dennoch das Ziel, einer vollständigen Aktualisierung und Weiterführung des MRA. Auch nach seinem Entscheid zur Beendigung der Verhandlungen über das institutionelle Abkommen hat der Bundesrat unterstrichen, dass die Schweiz in Zukunft eine zuverlässige Partnerin der EU bleibt. Der Bundesrat setzt sich weiterhin dafür ein, dass die Schweiz nicht diskriminiert und unter anderem im Rahmen von Äquivalenzverfahren der EU nicht anders behandelt wird als andere Drittstaaten.

Kurzfristig
Betroffen ist der Produktebereich Medizinprodukte. Die EU hat im April 2017 eine neue Medizinprodukteverordnung (Medical Devices Regulation 2017/745, MDR) sowie eine Verordnung über In-vitro Diagnostika (In-vitro Medical Devices Regulation 2017/46, IVDR) verabschiedet. Die Situation betreffend in-vitro Diagnostika Produkte ist gegenwärtig unverändert, da die Anwendung der IVDR frühestens für Mai 2022 vorgesehen ist. Seit dem 26. Mai 2021 wird jedoch die MDR vollständig angewendet. Eine entsprechende Aktualisierung des Kapitels über Medizinprodukte des MRA ist notwendig, um die fortbestehende Gleichwertigkeit der beiden Rechtsordnungen festzuhalten und damit weiterhin die Teilnahme der Schweiz am Binnenmarkt der EU in diesem Bereich sicherzustellen.

Da das MRA Kapitel für Medizinprodukte im Mai 2021 aufgrund des Entscheids der EU nicht aktualisiert werden konnte, müssen seit dem 26. Mai 2021 Schweizer Produkte, welche in die EU exportiert werden, vollständig die Anforderungen der MDR für Produkte aus Drittstaaten erfüllen. Die Erleichterungen des MRA entfallen. U.a. braucht es für diese Produkte neu einen Bevollmächtigten in der EU sowie eine entsprechende Anpassung der Kennzeichnung der Produkte. Umgekehrt müssen EU-Produkte, welche in die Schweiz exportiert werden, vollständig die Anforderungen des Schweizer Rechts für Produkte aus Drittstaaten erfüllen. Der Bundesrat hat am 19. Mai 2021 Massnahmen in der Schweizer Medizinprodukteverordnung erlassen, um die Versorgung in der Schweiz mit sicheren Medizinprodukten auch unter diesen erschwerten Umständen zu gewährleisten.

Zusätzlich hat die Europäische Kommission in ihrer Kommunikation vom 26. Mai 2021 mitgeteilt, dass ihres Erachtens auch nach dem alten Recht (Medizinprodukterichtlinie; engl.: Medical Devices Directive; MDD) zertifizierte und auf den Markt gebrachte Produkte nicht mehr vom MRA profitieren. Somit stellt die Europäische Kommission die Gültigkeit des bestehenden MRA in Frage. Die Schweiz hingegen vertritt die Position, dass «MDD-Produkte» vom bestehenden MRA weiterhin abgedeckt sind. Diese Produkte sollten im Handel zwischen der Schweiz und der EU folglich weiterhin von den Erleichterungen des MRA profitieren. Wie auch in der Kommunikation der Europäischen Kommission erwähnt, laufen derzeit zwischen der Schweiz und der EU Gespräche, um diese Fragen zu klären. Ob und wann diesbezüglich eine Einigung zwischen der Schweiz und der EU zustande kommt, hängt auch von der Europäischen Kommission ab.

Mittelfristig
Das technische Recht der EU und der Schweiz entwickelt sich fortlaufend. So hat die Europäische Kommission kürzlich ein Projekt zur Überarbeitung der Richtlinie 2006/42/EG über Maschinen gestartet. Die Schweizer Behörden werden diesen Gesetzgebungsprozess aufmerksam verfolgen. Sie werden zu gegebener Zeit prüfen, ob eine entsprechende Aktualisierung des MRA-Kapitels über Maschinen erforderlich sein wird.

Langfristig
Der Bundesrat sieht es im gemeinsamen Interesse der Schweiz und der EU, die bewährte bilaterale Zusammenarbeit zu sichern und die bestehenden Abkommen konsequent weiterzuführen. Deshalb will er mit der EU einen politischen Dialog über die weitere Zusammenarbeit aufnehmen.

Was bedeutet dies für die Normung

Für die Normenorganisation
Für die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) als Dachorganisation und Mitglied von CEN sowie für Electrosuisse als Mitglied von CENELEC ändert sich nichts. Als CEN- bzw. CENELEC-Mitglied aus einem EFTA-Mitglied-Staat hat die SNV in den Statuten definierte Rechte und Pflichten. Wesentliche Verpflichtungen sind die Übernahme- und Zurückziehungsverpflichtung.

Für die Normungsarbeit
Es ändert sich nichts. Es ist nach wie vor wichtig, dass sich Schweizer Expertinnen und Experten bei der Entwicklung von Europäischen Normen einbringen. Die Normen bleiben auch in Zukunft eine wichtige Grundlage für Konformitätsbewertungen und Interoperabilität, unabhängig davon, wie die vertraglichen Verhältnisse ausgestaltet sind.

Schweizer Unternehmen können nicht direkt Einfluss auf die europäische Rechtsetzung nehmen, jedoch können sie deren Konkretisierung beeinflussen, indem sie sich an der Ausarbeitung von harmonisierten Europäischen Normen beteiligen. Diese Normen werden auch in Zukunft den Status einer Schweizer Norm erhalten.

Für weitere Auskünfte melden Sie sich bitte bei info@switec.info

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