26.11.2018 // Neue Normen und Produkte

Mit Green Finance den Klimawandel stoppen

Wie ISO-Normen beim Beschleunigen einer nachhaltigen Wirtschaft unterstützen

Gemäss dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) sind wir die letzte Generation, die den Klimawandel noch stoppen kann. Möglich ist dies mit der Umstellung auf eine nachhaltige, CO2-freie Kreislaufwirtschaft. Deren Finanzierung stellt jedoch eine grosse Herausforderung dar – zumindest bisher. Mit der Entwicklung verschiedener Normen, die eine nachhaltige Wirtschaft antreiben, beschleunigen und unterstützen, ist ISO bei diesem Übergang ganz vorne mit dabei.

Gäbe es eine Liste der zehn grössten Umweltrisiken, dann würden Ressourcenerschöpfung, Umweltverschmutzung und Klimawandel an erster Stelle stehen. Diese drei Risiken sind eng miteinander verbunden, so wie Ökonomie und Umweltmanagement heute untrennbare Verknüpfungen für eine nachhaltige Wirtschaft bilden. Der Wille, diesen Übergang zu schaffen, ist sicherlich da. An der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 stellten über 400 Investoren, die ein Vermögen von 24 Billionen US-Dollar vereinen, einen Antrag für ein starkes globales Abkommen, das den Klimawandel angehen soll. Aus der Konferenz ist zwar ein Abkommen hervorgegangen, doch da umfangreiche Investitionen nötig sind, gestaltet sich dessen Finanzierung als schwierig. Ausserdem braucht es viel Kreativität, um den Anleihenmarkt, der mehrere Billionen US-Dollar ausmacht und in der Regel von risikoscheuen Kapitalgebern finanziert wird, zu erschliessen.

Das Ausmass der Investitionen ist beispiellos. So hat das UNEP bestimmt, dass bis 2030 ein Grossteil der weltweiten Infrastruktur im Rahmen des Übergangs zur neuen Wirtschaft saniert und ersetzt werden muss. Gemäss der New Climate Economy, dem führenden Projekt der Globalen Kommission für Wirtschaft und Klima – eine internationale Initiative, die untersucht, wie Staaten einen Ausgleich zwischen Wirtschaftswachstum und den Risiken des Klimawandels finden können –, sind für diese wirtschaftliche und ökologische Revolution rund 90 Billionen US-Dollar erforderlich.

Die Internationale Energieagentur schätzt, dass bis 2035 weltweit mindestens 53 Billionen US-Dollar allein in den Energiesektor gepumpt werden müssen, um den gefährlichen Klimawandel zu stoppen. Unterdessen hat die High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) der Europäischen Kommission (EK) berechnet, dass diese jährlich 180 Milliarden US-Dollar investieren muss, um das europäische Klimaziel zu erreichen.

Vorantreiben und erzwingen
Erste Investitionen sind bereits erfolgt, doch dabei haben sich erhebliche Probleme gezeigt. Denn es fehlen Instrumente zur Bewertung der natürlichen Ressourcen sowie eine stabile weltweite Norm, der eine Verringerung des Engagements von Finanzinstituten in Bereichen, die mit Umweltrisiken verbunden sind, vorantreibt oder gar erzwingt. So forderten die Investoren an der Pariser Konferenz von 2015 die Finanzinstitute auf, solche Risiken zu bestimmen – und offenzulegen. Doch ein in diesem Jahr veröffentlichter Bericht der Anlagegesellschaft Boston Common Asset Management zeigt auf, dass noch einiges zu tun ist: Von den 59 grössten Banken weltweit bewerten weniger als die Hälfte die Risiken des Klimawandels, und die meisten haben ihre Finanzierung des Kohlesektors nicht begrenzt.

Daneben gibt es zahlreiche weitere Herausforderungen. In den letzten zehn Jahren wurde ein neues Anlageprodukt geschaffen: der sogenannte «Green Bond». Ein Bond oder eine Anleihe ist einfach gesagt ein Darlehen, bei dem der Geldgeber für einen bestimmten Zeitraum eine feste Rendite erhält. Nach diesem Zeitraum wird das Darlehen vollumfänglich zurückgezahlt. Green Bonds sind eine bedeutende Finanzierungsquelle in Bereichen wie erneuerbare Energie, CO2-arme Gebäude und Verkehr, Energieeffizienz, Abfallminimierung, Recycling und Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Landwirtschaft und Anpassung an den Klimawandel. Zum Nominalwert stellen Green Bonds eine Win-win-Situation dar: Investoren setzen ihr Geld für Entwicklungen ein, die eine bessere Welt ermöglichen, und die Entwickler erhalten die für neue Umweltprojekte und -programme benötigen Mittel.

Ursprung der Green Bonds
Die Weltbank prägte den Begriff Green Bond im Jahr 2008, als sie ihren strategischen Rahmen für Entwicklung und Klimawandel ins Leben rief. Dieser schuf ein Ökolabel für eine neue Generation von Anleihen, die Projekte und Programme zur nachhaltigen Entwicklung finanzieren. Seither ist der Green-Bond-Markt stark gewachsen. Gemäss der Climate Bonds Initiative, einer internationalen Organisation, die den Anleihenmarkt zu Lösungen für den Klimawandel bewegen möchte, gaben Finanzinstitute im Jahr 2017 Green Bonds im Wert von rund 155,5 Milliarden US-Dollar heraus. Dennoch machen Green Bonds heute nicht einmal ein halbes Prozent des globalen Anleihenmarktes aus.

Wie dies bei Innovationen oft der Fall ist, gab es auch beim Green Bond Kontroversen. So wurde eine Anleihe, die eine schrittweise Verbesserung der operativen Effizienz einer Ölraffinerie finanzieren sollte, als «grün» bezeichnet. Zudem waren die unterschiedlichen Definitionen für Green Bonds und neue Sicherungssysteme verwirrend und abschreckend. «Unterschiedliche Definitionen für Green Bonds verwirrten die Anleger und schreckten sie ab», erklärt Dr. John Shideler, Vorsitzender des Fachausschusses ISO/TC 207, Umweltmanagement, Unterausschuss SC 4, Umweltleistungsbewertung, der sich seit über zwölf Jahren mit dem Thema Klimaschutz befasst.

«Die Emittenten konnten aus verschiedenen Strukturen auswählen, um ihre Green-Bond-Ansprüche zu belegen, beispielsweise die Green Bond Principles, der Climate Bonds Norm oder die Richtlinien der Chinesischen Volksbank. Doch weil einheitliche Zulässigkeitsregeln fehlten und «grün» unterschiedlich definiert wurde, hielt sich das Wachstum in diesem Sektor in Grenzen», bedauert Shideler. Glücklicherweise wird die neue Familie der ISO-Normen, einschliesslich der ISO 14030, Green Bonds – Umweltleistung von Projekten und Anlagen, massgebend zur Lösung dieser Probleme beitragen.

Rahmenbedingungen festlegen
Normen unterstützen seit Jahrzehnten den positiven Wandel. Ein typisches Beispiel ist das Umweltmanagement. So trug die ISO 14001 für Umweltmanagementsysteme wesentlich dazu bei, dass ein Unternehmen aus der Lebensmittelbranche seinen Abfall wiederverwerten konnte. Zahlreiche Organisationen erzielten dank der Umweltmanagementsysteme nach ISO 50001 massive jährliche Energieeinsparungen. In der Regel holten diese Organisationen ihre Investitionen in weniger als einem Jahr wieder herein.

ISO baut auf diesem Erfolg auf und entwickelt die nächste Generation von Umweltmanagementnormen, die sich insbesondere auf eine Verknüpfung von Ökologie und Umweltmanagement konzentrieren. So stellen die Bewertung natürlicher Ressourcen und Analysen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses im Umweltbereich sowohl strategisch als auch taktisch wichtige Schritte in Programmen für eine nachhaltige Entwicklung dar.

Die ISO 14007 wird es den Organisationen ermöglichen, die Kosten und den Nutzen, die mit ihren Umweltaspekten sowie den Abhängigkeiten und Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf natürliche Ressourcen verbunden sind, zu bestimmen und zu kommunizieren. «Die Norm ermöglicht damit erstmals die effiziente und effektive Verknüpfung von Umweltmanagementleistung, betriebswirtschaftlichen Daten und volkswirtschaftlichen Auswirkungen der materiellen Umweltaspekte einer Organisation. Sie kann zur optimierten ökonomischen Risiko- und Chancenbeurteilung von Organisationen genutzt werden, die ihre Umweltauswirkungen für strategische und operative interne Entscheide oder für die Kommunikation mit Stakeholdern gesamthaft nutzen wollen», erklärt Franz Knecht, Projektleiter ISO/TC 207/SC 1 und SNV-Experte. Derweil beschreibt die ISO 14008 eine Reihe von Instrumenten, mit denen monetäre Werte auf Umwelteinflüsse übertragen werden. «Sie ist damit die Vertiefung von ISO 14007 . Es werden anerkannte ökonomische Bewertungsmethoden der Umweltökonomie, aber auch der Gesundheitsökonomie angewendet. Diese Norm ermöglicht damit die direkte und umfassende Berechnung von Umweltfaktoren, auch jenseits der gängigen Buchhaltungspraxis, weil externalisierte Effekte einbezogen werden können, unabhängig davon, ob sie sich als positiv oder negativ erweisen. Der Anwendernutzen ist intern für Investitionsentscheide und Kosten/Nutzen-Bewertungen oder bei der Risiken- und Chancenbeurteilung für materielle Umweltaspekte gegeben. Der externe Nutzen kann in der Umweltleistungsdarstellung inklusive volkswirtschaftlicher Auswirkungen gesehen werden und kann damit etwa die Kommunikation mit finanziellen und gesellschaftlichen Anspruchsgruppen objektivieren», erklärt Franz Knecht.

«Es besteht ein Trend zur Bewertung des natürlichen Kapitals sowie das Bedürfnis, eine monetäre Bewertung der ökologischen Aspekte und Umwelteinflüsse einer Organisation vorzunehmen», erklärt Martin Baxter, Vorsitzender des Unterausschusses SC 1, Umweltmanagementsysteme, von ISO/TC 207. Während für Baxter beide Normen massgebend sind in Bezug auf die Risiken des Klimawandels, sind Investitionen für die Anpassung, die Widerstandsfähigkeit und den Übergang zu einer CO2-armen, nachhaltigen Wirtschaft erforderlich, um diese Risiken anzugehen. Hier kommt zwei anderen Normen eine entscheidende Rolle zu: der ISO 14097 für die Beurteilung und Offenlegung von Investitionsrisiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel sowie der ISO 14030 für Green Bonds.

Normen sind auf dem Vormarsch
Ein Jahr nach der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 verabschiedete Frankreich das weltweit erste Gesetz, das sich mit den Risiken des Klimawandels und der Offenlegung dieser Risiken befasst. «Nach Artikel 173 des französischen Energiewendegesetzes müssen institutionelle Anleger aufzeigen, wie sie die Risiken des Klimawandels angehen», erklärt Stanislas Dupré, Obmann der Arbeitsgruppe, die die ISO 14097 entwickelt. Diese Norm legt die Anforderungen an die Berichterstattung von klimabezogenen Risiken und die Auswirkungen der Klimamassnahmen von Finanzinstituten fest. Franz Knecht sagt: «Diese Norm richtet sich im Wesentlichen an Investoren und Organisationen, die sich am Pariser Abkommen oder anderen Klimaschutz-Zielkorridoren ausrichten und dies gegenüber Anspruchsgruppen entsprechend belegen wollen.»

«Es gab ein klares Bedürfnis nach fachlichen Leitlinien und einem standardisierten Rahmen, der beschreibt, wie Finanzinstitute, Banken, Investoren und Vermögensverwalter Klimarisiken bewerten und offenlegen können», fügt Dupré hinzu.

Gleichzeitig wird ISO 14030 eine entsprechende Glaubwürdigkeit und Einheitlichkeit bei der Sicherung von Green Bonds erzielen. Seit 2015 ist klar, dass Green Bonds eine einheitliche Norm benötigen, um auf dem Fundament der Green Bond Principles, des Climate Bond Standard und der Vielfalt bestehender Klassifikationen für Green Bonds aufzubauen – und so das Risiko, dass regionale Normen multipliziert und ein zukunftsweisender Markt aufgebrochen wird, zu eliminieren. «Dies ist die erste internationale Norm für Green Bonds», so Shideler.

Inwiefern trägt die ISO 14030 bestehenden Normen Rechnung? Die Stärke von ISO ist die Harmonisierung bestehender Normen. Somit stützt sich die ISO 14030 auf die Green Bond Principles und den Climate Bond Standard der Climate Bond Initiative, der auf diesen Grundsätzen basiert. Die Expertenarbeitsgruppe der Norm berücksichtigt auch die Klassifikation für Green Bonds, die vom Green Finance Committee der Chinesischen Gesellschaft für Finanz- und Bankwesen und der Europäischen Investitionsbank gemeinsam entwickelt wurde. Diese und viele weitere Quellen stellen Grundlagendokumente für die ISO 14030 bereit.

Unterdessen hat die europäische High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) empfohlen, dass die Europäische Kommission eine EU-Norm für Green Bonds entwickeln soll. «Die Empfehlungen der HLEG sind auf den für die ISO 14030 vorgesehenen Geltungsbereich und Ansatz abgestimmt, während die neue Arbeitsgruppe für die ISO 14030 Mitglieder der HLEG und Experten mit Erfahrung in der Entwicklung und Nutzung anderer bestehender Normen umfasst», bemerkt Shideler.

Ein umfassender Nutzen
Wie lassen sich nun diese Normen miteinander verbinden, um den Klimawandel wirksam anzugehen? Einfach gesagt, ermöglichen sie den Entscheidungsträgern, auf wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigere Weise fundierte Entscheidungen zu treffen. «Die ISO 14008 kann von Organisationen jeder Art und Grösse genutzt werden, denn sie bietet einen standardisierten Ansatz zur Bewertung von natürlichen Ressourcen. Die ISO 14007 ist hingegen für die Verwendung auf organisatorischer Ebene gedacht. Deshalb werden sich die beiden Normen ergänzen», meint Baxter.

Und welchen Nutzen wird die ISO 14097 bringen? «Es gibt drei Hauptvorteile», erklärt Dupré. «Erstens dient die Norm als Anleitung für Personen, die investieren und Finanzen verwalten, zur Bewertung von Risiken des Klimawandels. Zweitens hilft er, den Wandel zu einer CO2-armen Wirtschaft voranzutreiben, indem die Exposition gegenüber klimabezogenen Risiken verringert wird. Und drittens bietet die ISO 14097 die Vorteile einer Standardisierung. Mit anderen Worten: ein einheitlicher Rahmen, der eine Basis für die Bewertung, Überprüfung und Vergleichbarkeit bietet», fügt er hinzu. Die ISO 14097 soll im Jahr 2020 veröffentlicht werden.

Laut Shideler bietet die ISO 14030 drei entscheidende Vorteile: «Erstens beseitigt sie die Verwirrung darüber, was einen Green Bond ausmacht. Zweitens stellt sie eine Klassifikation von Anlagen und Projekten, die über Green Bonds finanziert werden können, bereit. Und drittens bietet sie die Sicherheit, dass die nach der Norm emittierten Green Bonds einen ökologischen Nutzen bringen und somit das Vertrauen der Anleger verdienen.» Wenn alles nach Plan verläuft, wird die ISO 14030 im Jahr 2019 veröffentlicht.

Wenn also Wirtschaft und Handel das Fundament einer Zivilgesellschaft sind, dann ist die Vereinigung von Ökonomie und Umweltmanagement entscheidend für eine nachhaltige Lebensweise. Dieser Übergang erfordert einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie wir Ressourcen und Umweltkosten bewerten. Und wenn Umweltfinanzierung der Schlüssel ist, der das für den Übergang benötigte Kapital freisetzt, dann bieten ISO-Normen durch Harmonisierung und Zusicherung den Rahmen, die Struktur und die Stärke, damit dies gelingt.

Überblick
Die vier Normen, die zurzeit entwickelt werden und die Ökonomie und Umweltmanagement vereinen, sind:

 

Quelle: ISO News, 2018, ergänzt mit Kommentaren von SNV-Experte Franz Knecht

Neues ISO/TC 322 «Sustainable Finance»
Um den Nachhaltigkeitsgedanken in die Finanzwelt zu tragen, hat ISO im Herbst dieses Jahres ein neues Komitee mit dem Titel «Sustainable Finance» gegründet. Ziel des Komitees ist es, Normen für nachhaltige Finanzprodukte herauszubringen.

Im Interview mit SNV-Experte Franz Knecht , erfahren Sie mehr über das umfangreiche Feld der nachhaltigen Finanzprodukte.

Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:
, Tel: +41 52 224 54 54

Ihr Mitwirken ist gefragt!
Möchten Sie bei der internationalen Entwicklung von Normen mitwirken? Durch die Teilnahme in einem Normenkomitee bringen Sie Ihre Produkte und Dienstleistungen schneller auf den Markt dank Informationsvorsprung gegenüber Mitbewerbern. Als Komitee-Mitglied treffen Sie andere nationale Branchenexperten und können neue Normenentwürfe mit diesen diskutieren. Zudem haben Sie die Möglichkeit, internationale Kontakte zu knüpfen.

Weitere Vorteile einer SNV-Mitgliedschaft: Mehr erfahren!

Ihre Ansprechpartnerin für eine SNV-Mitgliedschaft:
Birgit Kupferschmid, , Tel: +41 52 224 54 18

zur News Übersicht

Bitte rechnen Sie 7 plus 7.

Wir behandeln Ihre Daten vertraulich und verwenden diese ausschliesslich zur Beantwortung Ihrer Anfrage. Wie Ihre Daten verarbeitet werden, sehen Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Nach oben
Verfügbare Sprachen