28.03.2022 // Allgemeine News

Wir werden alle älter

von Lea Leibundgut

Normen können nicht nur das Gewinde einer Schraube normen, sie bieten auch Hilfestellungen für gesellschaftliche Themen, wie beispielsweise die Auswirkungen der demografischen Entwicklung. Es braucht ganzheitliche Ansätze, die es erlauben, dass ältere Menschen weiterhin am Leben teilhaben können. Die ISO hat im Jahr 2017 ein Normenkomitee gegründet, welches Normen zum Nutzen der alternden Bevölkerung entwickelt.

In der Schweiz und auch in anderen Industrienationen wird die Bevölkerung immer älter. Vor dieser Entwicklung können sich auch Arbeitgeber nicht verschliessen. Je mehr die Gesamtzahl der Arbeitnehmenden abnimmt, desto mehr gewinnt der Anteil der älteren Mitarbeitenden an Bedeutung. Ältere Arbeitnehmende haben oft andere Bedürfnisse als jüngere. So lässt die körperliche Kraft mit dem Älterwerden grundsätzlich nach und das Erholungsbedürfnis nimmt zu. Viele ältere Arbeitnehmende bringen aber einen reichen Erfahrungsschatz mit, von dem ein Unternehmen profitieren kann.

Ist Ihr Unternehmen ein guter Arbeitgeber für die ältere Generation?
Die kürzlich publizierte Norm ISO 25550:2022 hilft Unternehmen und Organisationen eine altersintegrative Belegschaft zu entwickeln und umzusetzen. Dabei konzentriert sich die Norm speziell auf ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wobei sie betont, dass von Verbesserungen für die älteren Arbeitnehmenden grundsätzlich die gesamte Belegschaft profitiert.

Wie die meisten Normen, die sich an Unternehmen und Organisationen aller Art und Grösse richten, enthält auch diese Norm generische Anforderungen und Empfehlungen. Jede Organisation muss sich selbst Gedanken machen, wie sie die Anforderungen und Empfehlungen erfüllen kann. Es werden aber auch Beispiele für die betriebliche Umsetzung erwähnt.

Die Norm definiert Anforderungen und macht Empfehlungen in folgenden Bereichen:

  • Führung und altersgerechte Organisationskultur
  • Personalplanung, Rekrutierung und Arbeitszuweisung
  • Arbeitsgestaltung
  • Gesundheit und allgemeines Wohlbefinden
  • Entwicklung der Karriere
  • Wissensmanagement und Intergenerationelle Zusammenarbeit
  • Digitalisierung des Arbeitsplatzes und innovative Arbeitsplatzgestaltung
  • Nachfolgeplanung
  • Übergang in die Pensionierung
  • Verbleiben im Beruf
  • Der Wert des Ökosystems der alternden Belegschaft für das Unternehmen
  • Unterstützen der Finanzkompetenz älterer Mitarbeiter
  • Bewertung von Leistungen und Entlöhnung.

Die Norm enthält auch informative Anhänge über Konzepte und Auswirkungen des Alterns, individuelle, kontinuierliche Planung der beruflichen Entwicklung, Bewertungsinstrumente für eine altersübergreifende Belegschaft, Beispiele für Messgrössen zur Messung von Erfolg und Ergebnissen sowie Empfehlungen und Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen.

Kommentar von Prof. Raymon Saner zur ISO 25550:2022
Es kann vorkommen, dass jüngere Mitarbeitende oder vor allem jüngere Führungskräfte die Fähigkeiten der älteren Arbeitnehmenden nicht wahrnehmen und manchmal auf Grund von Vorurteilen – Ageism – ihren Beitrag nicht wertschätzen. Sie denken, dass die älteren Arbeitnehmenden im Vergleich zu den Jüngeren ausser höheren Lohnkosten nicht viel zur betrieblichen Produktivität beitragen. In Wirklichkeit haben ältere Mitarbeitende sich während ihrer beruflichen Laufbahn Wissen und Fähigkeiten angeeignet. Diese helfen ihnen berufsspezifische Probleme effizient und wirksam zu lösen und sich mit weniger Reibungsverlusten im informellen Umfeld der betrieblichen Organisation zu bewegen.

Die Arbeitsmotivation von älteren Arbeitnehmenden kann stark gefördert werden, wenn Führungskräfte das Wissen- und Erfahrungspotential durch gezieltes Feedback positiv unterstützen und ihnen Spielraum geben, ihren Arbeitseinsatz mitzugestalten. Altersdurchmischte Arbeitsteams können vorteilhaft sein. Die älteren Mitarbeitenden können ihr Wissen und ihre Fähigkeiten mit jüngeren Arbeitnehmenden teilen und die Jüngeren können Ihre Arbeitsenergie zum Nutzen des Teams einbringen.

Der Aufbau der ISO Norm 25550 besteht aus Elementen der Organisationspraxis, welche die Integration der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachhaltig fördert. Der Vorteil für alle Beteiligten: Eine sinnvolle betriebliche Integration wird für ältere Arbeitnehmende längerfristig eine positive Auswirkung auf ihre Gesundheit und ihr allgemeines Wohlergehen haben, was wiederum der Lebensgemeinschaft älterer Mitmenschen zugutekommt.

Ein Normenkomitee rund um die alternde Gesellschaft
Die Norm ISO 25550 war eine der ersten Normen des technischen Komitee ISO/TC 314 – «Ageing Societies», das im Jahr 2017 gegründet wurde. In diesem ISO-Komitee wurden auch zwei weitere Normen veröffentlicht, unter anderem die ISO 25551:2021 «Alternde Gesellschaften - Vereinbarkeit von Pflege und Beruf im betrieblichen Kontext». Ein Thema, dessen Relevanz nicht unterschätzt werden darf; pflegen doch viele berufstätige Personen ihre pflegebedürftigen Angehörigen. Diese Pflegenden sind darauf angewiesen, dass sich ihre oft freiwillige und unbezahlte Pflegetätigkeit, mit ihrer bezahlten Arbeit vereinbaren lässt. So sind diese Personen auf eine mögliche Reduktion des Arbeitspensums angewiesen. Die ISO 25551:2021 spezifiziert Anforderungen und zeigt Richtlinien für ein Organisationsprogramm für berufstätige Pflegende auf.

Mit der ISO 25552 «Alternde Gesellschaften - Rahmenbedingungen für die Inklusion von Menschen mit Demenz» liefert das ISO-Komitee ein Rahmendokument für demenzinklusive Gemeinden, einschliesslich Prinzipien und Überlegungen zu Inklusion, Lebensqualität, baulicher Umgebung, besonderen Bedürfnissen und der Einbeziehung von Interessengruppen. Es bietet auch eine Anleitung zur systematischen Nutzung, Verbesserung und Vernetzung der vorhandenen Ressourcen und Strukturen sowie zur effizienten Umwandlung in eine demenzinklusive Gemeinschaft.

In Arbeit sind zwei weitere Dokumente, darunter eine Leitlinie für die Förderung des Wohlbefindens in lokalen Gemeinschaften und Organisationen und ein technischer Report mit Überlegungen zur Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit von Produkten der häuslichen Gesundheitsfürsorge, zugehörigen Dienstleistungen und den Umgebungen. Zudem ist ein weiteres Normenprojekt mit Anforderungen und Leitlinien für eine altersgerechte digitale Wirtschaft aus Perspektive der Bedürfnisse von älteren Menschen in Planung.

Über das nationale Spiegelgremium «INB/NK 1314 – Alternde Gesellschaften» können sich interessierte Expertinnen und Experten an verschiedenen Normenprojekten rund um die alternde Gesellschaft beteiligen.

Ihr Ansprechpartner für weitere Informationen:
, Tel: +41 52 224 54 54

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