SNV-Story #2: Heizen wir bald mit gereinigtem Altspeiseöl?

Porträt des Tessiner Umweltwissenschafters Markus Wilke

Der Tessiner Umweltwissenschafter Markus Wilke hat zusammen mit dem Bündner Energietechniker Marcel Caminada eine neue Technologie entwickelt, die es ermöglicht, sogenannte biogene Brennstoffe wie gereinigtes Altspeiseöl in herkömmlichen Ölheizungen schadstoffarm zu verbrennen. Diese Technologie wurde vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf ihre Konformität mit der Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV; SR 814.318.142.1) erfolgreich geprüft. Damit in Zukunft verschiedene biogene Brennstoffe zum Einsatz kommen können, soll ein standardisiertes Prüfverfahren für diese natürlichen Brennstoffe festgelegt werden. Eine entsprechende Norm soll möglichst rasch und passend aufgestellt werden, weswegen sich Markus Wilke bereit erklärt, an der Erarbeitung dieser Norm als Experte mitzuarbeiten.

Die SNV hat Markus Wilke im Hotel Vezia bei Lugano, das er zusammen mit seiner Frau Conny Wilke führt, besucht und mit ihm über seine Arbeit als Experte sowie über die weltweit neuartige Technologie gesprochen.

Bildbeschrieb: Der Umweltwissenschaftler Markus Wilke in seinem Hotel Vezia in Vezia

1. SNV: Wie kamen Sie auf die Idee, herkömmliche Ölheizungen für den Einsatz von biogenen Brennstoffen umzurüsten?
Markus Wilke:
Es gibt zwei Ansätze, um Altspeiseöl umweltfreundlich zu verwenden: Entweder passt man den Brennstoff an die Technik an, so wie das bei Biodiesel der Fall ist. Oder man passt die Technik dem Brennstoff an. Das haben wir mit unseren Green Power Brennern gemacht. Dieser kann mit wenig Aufwand auf herkömmlichen Ölheizungen montiert werden und ermöglicht CO2-neutrales Heizen.

2. Woher beziehen Sie die biogenen Brennstoffe?
Das Altspeiseöl wird in Restaurants und Hotels gesammelt und anschliessend von uns und unseren Partnerfirmen gereinigt. Aus Abfall entsteht so nochmals ein Produkt, das für die Energiegewinnung verwendet werden kann.

An öffentlichen Sammelstellen ist die Trennung zwischen Speiseöl und Mineralöl bis jetzt nicht möglich, weshalb das Öl aus Privathaushalten nicht verwendet werden kann. Im Tessin haben wir soeben mit einigen Gemeinden ein Pilotprojekt lanciert, bei dem auch Privathaushalte ihr Speiseöl in entsprechenden Gebinden zur Wiederaufbereitung entsorgen können. Dieses Verfahren ist besonders umweltfreundlich, da die Entsorgung sogar kurze Transportwege umfasst.

3. Wie kamen Sie zur Expertenarbeit?
Unsere Entwicklung muss den Anforderungen der LRV entsprechen. Deshalb muss die Qualität des Brennstoffs einer Norm (oder allenfalls einer Regel) unterliegen, die die Parameter für biogene Brennstoffe definiert. Da es weder international noch europaweit entsprechende Vorgaben gibt, wird nun die Schweizer Regel SNR 10500 erarbeitet. Natürlich habe ich ein grosses Interesse, dass diese Regel möglichst rasch vorliegt. Deshalb habe ich mich von Anfang an bereit erklärt, mich aktiv mit meinem Wissen an deren Erarbeitung zu beteiligen. Hierfür leite ich die Projektgruppe und stehe in engem Austausch mit dem BAFU. Zudem bin ich Mitglied der Expertengruppe für Heizöl Bio, die sich alle zwei Monate trifft und an einer Anpassung der Schweizer Heizölnorm SN 181160-2 arbeitet, um Heizöl Bio (H20), auf der Basis von Heizöl/FAME*)-Gemischen, in die bestehende Norm zu integrieren.

*) FAME = Fettsäuremethylester (fatty acid methyl ester)

4. Welches Ziel soll mit der Regel erreicht werden?
Die Regel soll die Parameter definieren, die für die Reinheit und Lagerstabilität der biogenen Brennstoffe angewendet werden.

5. Welches sind die Herausforderungen?
Unsere Entwicklung ist in dieser Form weltweit einzigartig. Deshalb müssen wir uns nicht nur mit technischen Fragen beschäftigen, sondern umfangreiche Informations- und Überzeugungsarbeit leisten und unser Wissen vermitteln. Erst kürzlich wurde in einem fast einjährigen Test an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch der Beweis erbracht, dass unsere Methode eine komplette Verbrennung und somit emissionsarme Abgase gewährleistet, was auch ein wichtiger positiver Aspekt in Bezug auf unsere Gesundheit ist. Diese aufwändigen Prozesse erfordern viel Zeit und Arbeit. Wir sind uns allerdings bewusst, dass nur mit einer umfangreichen Aufklärungsarbeit Unsicherheiten beseitigt werden können und so der Weg für diese Erfolg versprechende Technologie freigeräumt wird.
Deswegen engagiere ich mich gerne und gebe für die Normung mein Wissen weiter.

6. Werden Sie mit Ihrem Brenner die Heiztechnologie revolutionieren?
Der Brenner wird aktuell natürlich vor allem dort interessant, wo jetzt Ölheizungen im Einsatz sind, die politisch keinen Rückhalt mehr finden. Ich bin überzeugt, dass es auch in Zukunft einen Mix von erneuerbaren Technologien geben wird. Egal, welche Technologie wir betrachten, die Ressourcen würden nicht reichen, um nur noch mit einem einzigen Brennstoff zu heizen.

7. Wann ist die Schweizer Regel fertiggestellt?
Ich rechne damit, dass die Arbeit für die Regel SNR 10500 im Frühjahr 2020 abgeschlossen sein wird.

Der Green-Power-Brenner – Heizen mit flüssigen biogenen Brennstoffen

Die Idee von Markus Wilke und Marcel Caminada klingt eigentlich simpel: In der Schweiz und insbesondere in den Tourismuskantonen Tessin und Graubünden fällt in Restaurants und Hotels viel Altspeiseöl an. Dieses soll für die Aufbereitung nicht durch ganz Europa transportiert werden, sondern möglichst regional gereinigt und anschliessend auch regional wiederverwendet werden. Immer mehr Gastrobetriebe unterstützen dieses Konzept und leisten mit der Bereitstellung ihres Altspeiseöls einen aktiven Beitrag an den Umweltschutz. Auf diese Weise entfällt der Transport in andere europäische Aufbereitungsanlagen.

Hinter der Idee steckt ein ausgeklügeltes technisches System. Das Herzstück des Green Power Brenners ist ein äusserst innovatives Zerstäubungssystem, welches das schwer zerstäubbare aufbereitete Altspeiseöl dermassen fein versprüht, dass das Öl in aerosolem Zustand verbrannt werden kann.

Bildbeschrieb: Der Green-Power-Brenner wird auf einfache Weise direkt an bestehenden Ölheizungen angebracht.

Steigende Kosten für Ölheizungen
Der Brenner der beiden Entwickler wird auf herkömmlichen Ölheizungen angebracht. Der Öltank wird neu statt mit fossilem Heizöl mit gereinigtem Pflanzenöl gefüllt. Somit ist kein umständlicher Ausbau der kompletten Heizungsanlage nötig. Zudem verfügt der Brenner über die einzigartige Eigenschaft, dass er ohne Umbau an die Wärmebedürfnisse angepasst werden kann. Der Green-Power-Brenner hingegen kann auch bereits mit 5 Kilowatt Leistung betrieben werden. Markus Wilke erwartet, dass die Heizkosten aufgrund der höheren CO2-Steuer stark ansteigen werden und deshalb die Alternative mit biogenen Brennstoffen massiv an Bedeutung gewinnen wird.

Übergangslösung zum Mieten
Der Umweltwissenschafter Wilke und sein Partner Caminada sind überzeugt von der Markttauglichkeit ihres Brenners, von dem sie bereits mehrere verkauft und installiert haben. Somit konnte die Langzeitfunktionalität bestätigt werden. Da der Brenner auch als Übergangslösung eingesetzt werden kann, bieten sie ihr Produkt auch zum Mieten an. Das Konzept übertrifft die Anforderungen der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn).

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