24.09.2018 // Actualités générales

Nach 20 Jahren Risikovermeidung: nachhaltige Finanzprodukte auf dem Vormarsch

Gründung eines neuen Komitees «Sustainable Finance»

Die Agenda 2030 der UNO für eine nachhaltige Entwicklung, für deren Ziele sich auch die Schweiz einsetzt, hat den Nachhaltigkeitsbegriff erneut ins Rampenlicht gerückt. Zu einer nachhaltigen Ökonomie gehört ein Finanzwesen mit nachhaltigen Finanzdienstleistungen, welche die Entwicklungsziele der UN mitunterstützen. Kürzlich haben die ISO-Mitgliedsländer der Gründung eines neuen Komitees mit dem Titel «Sustainable Finance» zugestimmt. Ziel des neuen Komitees ist es, Nachhaltigkeitsaspekte im Finanzmanagement zu fördern.

Seit Jahren verlangt eine wachsende Anzahl von gesellschaftlichen Gruppen, dass die Finanzbranche eine aktivere Rolle als Finanziererin für nachhaltigere Technologien, Produkte oder Infrastrukturlösungen spielen soll. Weg von der passiven Risikobewerterin und gelegentlichen Entwicklerin marginaler Nischenprodukte hin zur Finanzmittelbereitstellung und -vermittlung von Projekten mit «net positive impact», d.h. mit einer messbaren positiven Wirkung für Umwelt und Gesellschaft.

Auf dem weitläufigen Feld der nachhaltigen Finanzmodelle hat sich bereits einiges getan. In einigen Teilbereichen des übergreifenden Themas «sustainable finance», insbesondere im Komitee «Umweltmanagement», existieren bereits gut entwickelte und weltweit akzeptierte Normen. Aber auch die Standards zu Compliance Management (19600) und Anti-Korruption (37001) sind von direkter Relevanz für Unternehmen und ihre finanziellen Stakeholder.

Einer der sich seit Jahren mit den Themen Finanzdienstleistungen und Nachhaltigkeit beschäftigt, ist der SNV-Experte Franz Knecht. Er gehört zur ersten Generation der Banken-Nachhaltigkeitsverantwortlichen und hat seit 1991 beim Aufbau vieler Institutionen und Initiativen massgeblich mitgewirkt. Er gründete und leitet seit 1999 die Beratungsfirma CONNEXIS AG, ein globales Netzwerk von erfahrenen Praktikern für nachhaltige Unternehmensführung. Als zertifizierter Lead-Auditor für ISO 14001 Umweltmanagementsysteme ist er in allen aktuellen ISO-Standardisierungsprojekten als SNV-Experte aktiv, die eine transparente und aussagekräftige Beurteilung und Darstellung von ökonomischen Umweltwirkungen durch Unternehmen fördern. Des Weiteren ist er in den hochaktuellen und sehr finanzmarktrelevanten ISO-Projekten zu Green Bonds/Green Loans und Climate Finance engagiert. Im Interview erklärt er, wie sich die Produktpalette des Finanzsektors verändern wird, welche Normen bereits heute dazu beitragen, das Finanzwesen nachhaltiger zu gestalten, welche relevanten Standards in allernächster Zu-kunft von Nutzen sein werden und welche Vorteile die Gründung des neuen ISO-Komitees zum Thema «Sustainable Finance» bringt.

SNV: Herr Knecht, seit wann ist das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzwelt aktuell?
Franz Knecht: Umweltrisiken wie z.B. Bodenverschmutzungen durch Versickern von Heizöl, Lösungsmitteln oder Industrieunfällen etc. wurden in den 80er Jahren erstmals systematisch erfasst. Dabei stellte sich für Kreditgeber heraus, dass aufgrund der bestehenden Bodenverschmutzung die mit Hypotheken besicherten Immobilienkredite im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht nur keine Sicherheit darstellten, sondern dass im Konkursfall der Kreditgeber als neuer Eigentümer auch gezwungen war, für die Sanierungskosten der Altlast aufzukommmen.

Daraus entwickelte sich erst in den 90er Jahren eine systematische Beurteilung der Umweltrisiken von Kreditnehmern. Zusätzlich wurden schrittweise Immobilienstandorte und bestehende Hypothekarkredite nach der Werthaltigkeit als Sicherheit überprüft.

Der Markt für nachhaltige Anlageprodukte entstand jedoch erst nach der Jahrtausendwende, zuerst zögerlich, dann immer schneller. Heute stehen wir – je nach Betrachtungsweise – bei einem Anteil von bald 20 % nachhaltiger Anlageprodukte für private und institutionelle Anleger.

Was sind aktuell im Markt erhältliche typische «nachhaltige Finanzprodukte»?
Vor allem für private Anleger existiert eine rechte Fülle von Fonds von grünen bzw. umweltfokussierten Projekten (z.B. Klimawandel, -schutz) bis hin zu vereinzelten Fonds, die auf Sozialthemen ausgerichtet sind. Für Institutionelle kommen nun vermehrt Green Bonds auf den Markt. Im Kreditbereich ist das Angebot noch sehr spärlich (energieeffizientes Bauen). Für Sparer ist noch fast nichts vorhanden. Bestenfalls Kontokarten mit Sozialbonus oder WWF-Sponsoring.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Produktepalette des Finanzsektors verändern, falls Nachhaltigkeit immer mehr an Einfluss gewinnt?
Das Thema Nachhaltigkeit ist ja enorm vielfältig, deshalb wird es in Zukunft um Wirkungen jenseits der finanziellen Sicherheit gehen (z.B. um Transparenz und Glaubwürdigkeit nebst den versprochenen Returns für den Investor). Wichtig ist, dass die Branche generell transparenter wird, sind doch nachhaltige Produkte, wie z.B. Nachhaltigkeitsfonds, immer noch schwer durchschau-bar und meistens nicht von x-beliebigen nachhaltigen Bankprodukten zu unterscheiden.

Welche internationalen Normen können die Anbieter von nachhaltigen Finanzprodukten schon heute unterstützen?
Je nach Ausrichtung sind v.a. die Standards für QM 9001, UMS 14001, OHS 18000, Compliance 19600, CSR 26000 und Anti-Korruption 37001 schon seit deren Einführung und Anwendung von Bedeutung. Diese kommen schon heute bezüglich der Beurteilung von Kunden- oder Projektrisiken punktuell oder als Standardvorgang vor allem für Finanzierungen zur Anwendung. Im Anlagebereich werden dieselben Standards sowohl zur Risiko- aber auch zur Chancenbewertung im Rahmen von sog. ESG – Umwelt, Sozial und Governance – Ratings angewendet und bilden in vielen Fällen den systematischen, resp. theoretischen Unterbau für die nachhaltige Unternehmensbewertung für Aktieninvestoren oder Anleger in Fonds von meist börsenkotierter Firmen.

Können es sich Finanzdienstleister in Zukunft überhaupt «leisten», in nicht nachhaltige Investments zu investieren?
Ganz klar nein, und dies schon aus rein «fundamentalen» Gründen, die nichts mit grünem Denken oder einer aktiven Ausrichtung auf Nachhaltigkeit zu tun haben. Schon seit bald 20 Jahren gilt für Anleger generell, dass nachhaltige Investments zur allgemeinen Risikodiversifikation gegen Marktentwicklungen gehören, so wie es seit langem die Investition in verschiedene Währungen, Branchen, Commodities oder Finanzmärkte war.

Neu kommt die Bedrohung durch den Klimawandel hinzu, einer völlig neuen ökonomischen Risikokomponente für die globale Wirtschaft. Lange Zeit negiert, sogar bekämpft und noch heute von Einzelnen bestritten, dass der rasche Anstieg von CO2 in der Atmosphäre primär von den menschlichen Aktivitäten der letzten 150 Jahre stammt. Die Antwort der Finanzmärkte und Akteure auf diese Entwicklung ist heute eindeutig: Risikobeurteilung, dann Vermeidung und anschliessend die Suche nach Chancen in der Finanzierung für neue Akteure und Technologien.

Gibt es in der Schweiz, neben diversen Branchenstandards, auch gesetzliche Grundlagen zum Thema «nachhaltige Finanzprodukte»?
Soweit mir bekannt ist, hat die Schweiz bisher auf solche Gesetze verzichtet. Allerdings wurden immer wieder parlamentarische Vorstösse – etwa zur Transparenz von Finanzprodukten bezüglich Nachhaltigkeitsthemen – gemacht.

Bisher wurden Umweltaspekte – auch bezüglich ökonomischer Auswirkungen – im ISO-Komitee «Umweltmanagement» behandelt. Welche Vorteile sehen Sie in der Gründung eines Komitees zum Thema «Sustainable Finance»?
Das Komitee «Sustainable Finance» soll sich mit allen Nachhaltigkeitsbereichen befassen: mit Umwelt, Sozial- und Wirtschaftsaspekten. Im Zuge der Entwicklung der ISO-Normenwelt sind Nachhaltigkeitsthemen aber in verschiedenen Komitees gewachsen, was ihre oft sehr vernetzte und kombinierte Wirkungsbehandlung erschwert. Der Finanzbereich ist aber, wie kaum ein anderer Sektor, ein ausgesprochener Verdichter ökonomischer Informationen und reduziert auf monetäre Relevanz und Wirkung. Natürlich geht es dabei auch um ethische Aspekte und nicht nur darum, wo Reputationsrisiken bestehen oder besondere Geschäftsgrundsätze gelten. Seiner Rolle im Kontext von nachhaltiger Entwicklung kommt die Finanzbranche aber am ehesten im Verbund von Nachhaltigkeitsthemen, nachhaltigem Handeln und den dem Finanzsystem inherenten Risiken nach. Und dies bedingt ein eigenes Komitee.

Welche Akteure des Schweizer Finanzmarkts werden von normativen Dokumenten, wie sie das neue Komitee erarbeiten wird, profitieren?
Es sollen Experten aus unterschiedlichen Disziplinen angesprochen und zur Mitwirkung im Komitee aufgefordert werden: Vermögensverwalter, private und institutionelle Investoren, Kreditgeber, Universalbanken, Versicherungen aber auch Vertreter von Umweltorganisationen, Behörden und Konsumentenorganisationen.

Votre contact pour plus d'informations:
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Ihr Mitwirken ist gefragt!
Möchten Sie bei der internationalen Entwicklung von Normen mitwirken? Durch die Teilnahme in einem Normenkomitee bringen Sie Ihre Produkte und Dienstleistungen schneller auf den Markt dank Informationsvorsprung gegenüber Mitbewerbern. Als Komitee-Mitglied treffen Sie andere nationale Branchenexperten und können neue Normenentwürfe mit diesen diskutieren. Zudem haben Sie die Möglichkeit, internationale Kontakte zu knüpfen.

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